Also das hier ist vegan und feministisch. Weil sonst alles scheiße ist.

Freitag, 15. Februar 2013

Ragen und/oder Dancen? One Billion Rising im Nachgang






















Vorweg: Hier geht es speziell um die Veranstaltung in Köln. Da die Orga-Teams meines Wissens nach sehr viel Spielraum in der Ausgestaltung hatten, möchte ich ausdrücklich nicht für die Aktionen in anderen Städten sprechen. Desweiteren habe ich mich schlicht aus Zeitmangel im Vorhinein kaum mit der Aktion im allgeminen, ihrer Geschichte und Entstehung auseinandergesetzt.

Ich schreibe diese Kritik, weil ich Aktionen gegen Gewalt an Frauen wichtig finde. Und notwendig. Ich finde es toll, dass so viele Debatten und Bewegungen ihren Weg in den Mainstream finden. Die Sl*tWalks, #aufschrei, One Billion Rising, um mal die populärsten zu nennen. Aber das muss besser werden. Inklusiver, barrierefreier, diskriminierungsfreier, sicherer. Gerne auch lauter und wütender. Konsequenter und radikaler. Es gibt viel zu tun.

An One Billion Rising habe ich von Anfang an nicht so große Erwartungen gestellt. Hingegangen bin ich hauptsächlich, um mir das mal anzuschauen und um Freundinnen zu treffen. Denn Kritik gab es im Vorhinein genug und die wurde in weiten Teilen ignoriert. Zum Beispiel die Stellungnahme von GLADT – eine Stellungnahme auf ein offizielles Video zur Kampagne, welches sehr gewaltvoll ist, rassistische Stereotype bedient und reproduziert und zudem nur eine cis-hetero-Welt abbildet. Speziell bei der Veranstaltung in Köln machte mich außerdem die Aufmachung etwas skeptisch. "Unterstützt" von Marketing- und Veranstaltungsagenturen kam mir das Ganze doch fast vor, wie eine Party. Die Choreographie wurde in einem Fitnessstudio für Frauen trainiert ("Ruby Gym – Körperkultur für Frauen") – was ja vielleicht "praktisch" sein mag, bei mir aber einen schalen Beigeschmack von Körpernormierungen und Schönheitsidealen hinterlässt. 


Betroffene verhöhnen vs. den Körper reclaimen

Obwohl die Kritik daran, dass Tanzen für Betroffene von (sexualisierter) Gewalt höhnisch sein kann, berechtigt ist, habe ich generell nichts gegen Tanzen im allgemeinen auf Demos, solange es nur ein (!) Element von mehreren darstellt und nicht als "für alle total toll" angepriesen wird. Ich habe auch nichts gegen "fröhliche" Demos. Ich mag es, auch zu unangenehmen Themen Utopien und Gegenentwürfe zu entwickeln und diese in einer positiven Art aufzubereiten oder zu präsentieren. Und wer kann, die/der* darf von mir aus alles für sich reclaimen was sie/er* will. Das alles kann Spaß und Mut machen, Kreativität wecken und anspornen. Eben empowernd sein. "Nur" wütend zu sein und zu meckern macht (mich) manchmal müde, tut weh, erschöpft. Dabei brauche ich Halt und Kraft, denn ich will mehr, ich will gestalten und es besser machen!

Tanzen ist eine Ausdrucksform von vielen, speziell diese Ausdrucksform zu wählen kann ich auch in dem Sinne verstehen, als dass es bei der Aktion eben um (den eigenen) Körper geht – warum diesen dann nicht selbstbestimmt einsetzen? Warum nicht gleich versuchen "Tanz" von ästhetischen und sexuell aufgeladenen Zwängen zu lösen, den er für viele Frauen beinhaltet? Geklappt hat letzteres zumindest nicht. Wobei – das war wohl auch nicht der Anspruch. Die Choreographie war für mein Empfinden der zentraler Teil der gesamten Aktion. Von anderen Aktionen oder Demobestandteilen, wie zum Beispiel Flyern oder Plakate und Transpis basteln war mir nichts bekannt. An vielen Stellen, waren Frauen unsicher "ob sie denn da tanzen müssen". Eine Unsicherheit, die ich verstehen kann, ich mache das nämlich auch nicht besonders gerne. Nicht in der Öffentlichkeit. Schon gar nicht, wenn Presse anwesend ist. Und ehrlich gesagt auch nicht so gerne bei einer einheitlichen Choreographie. Es gibt viele Gründe, wegen derer Frauen* sich unwohl fühlen könnten, sich an dem Tanz zu beteiligen. (mangelnde Zeitressourcen, Behinderungen usw.) Eine Auseinandersetzung damit hat meines Wissens nach nicht stattgefunden. 

Gerade denke ich vor allem noch darüber nach, was diese Choreographie für mich bedeutet. Ich bekomme das noch nicht ganz zusammen, aber auf dem Weg nach Hause ist mir der Gedanke gekommen, dass ich mich vielleicht deswegen nicht wohl damit fühle, weil sie auch ein Teil des künstlichen Vereinheitlichungsprozesses ist, der mich hauptsächlich an dieser Aktion gestört hat. (Mehr dazu später.) "Wir Frauen", die ja alle die selben Erfahrungen machen (haha), tanzen auch alle den selben Tanz. Globale Solidarität soll das wohl darstellen. Für mich ist es das nicht. Eingebettet in dieser konkreten Situation fühlte es sich ausgrenzend an.


Wer kann sich eigentlich wo wohl und sicher fühlen?

Das bereits angesprochene Video hat ebenfalls im Vorfeld schon für Unsicherheiten gesorgt. Via Twitter kam die Frage auf, ob es auf der Veranstaltung selbst zu sehen sei, was für einige Frauen* ein Grund gewesen wäre, nicht zu kommen, da sie keine Lust hatten, sich dieses rassistischen Kram auf einer Veranstaltung zu geben, die eigentlich doch empowern soll. (Oder will?) In einem kurzen e-Mail-Verkehr zwischen mir und einer der Ansprechpartnerinnen aus Köln wurde mir mitgeteilt, dass es keine Pläne gebe, das Video zu zeigen. So weit so ok. Stutzig wurde ich, als es hieß, dass sie noch gar nichts davon mitbekommen haben, dass es eine Kritik gibt. Okay, als Veranstalterin gibt es natürlich viel zu tun, in Köln ist immerhin die gesamte Woche vorher Karneval gewesen, ein Ausnahmezustand also. Merkwürdig finde ich es aber trotzdem, da zumindest mir die Kritik aus allen Ecken und Richtungen entgegen kam und für eine Auseinandersetzung ganz besonders seitens der Orga wichtig gewesen wäre. Richtig genervt war ich dann vom Satz "Wir sind bisher eigentlich davon ausgegangen, dass unsere Veranstaltung offen für alle Interessierten ist (ist ja auch keine reine Frauenveranstaltung) und ich hoffe sehr, dass sich in dem Rahmen auch alle möglichst sicher und Willkommen fühlen." So so. Da wird also einfach mal von etwas ausgegangen und gehofft. Tut mir überhaupt nicht leid, dass mir das nicht reicht. Wer das wirklich möchte, tut auch etwas dafür. Schafft Strukturen, zum Beispiel ein Awareness-Team, gibt Statements raus, klare Ansagen, Positionierungen, Distanzierungen. "Hoffen" heißt für mich: "Oh, du fühlst dich nicht wohl? Ist ja schade." Ach, eigentlich heißt es für mich sogar "Pech gehabt."


"Wir" Frauen – wer ist das eigentlich?

Durchgehend wurde von einer homogenen Gruppe gesprochen. "Wir Frauen" und ja, auch "überall auf der Welt" wurde da gesagt. Dass Gewalt gegen "uns" ein globales Problem sei. Die angesprochene Gewalt wurde dann trotzdem gerne in andere Länder geschoben, die supidupi weit weg sind. Es geht auch nicht um "wir" und "die anderen".  Das ist zu einfach. Wir leben in Strukturen, die verschiedene Arten von Diskriminierung nicht nur begünstigen, sondern festigen, jeden Tag. Und sie wirken alle zusammen. Als zum ersten mal Rassismus und Homophobie angesprochen wurden (btw. Hat eigentlich eine das Wort "Sexismus" gehört? Ich nicht.), war bereits eine Stunde vergangen. Und wer hats angesprochen? Eine Vertreterin von Agisra. Agisra e.V. ist eine Informations- und Beratungsstelle für migrierte und geflüchtete Frauen. Also ein Verein, der gerade eben für Frauen da ist, die von Rassismus betroffen sind und ha! einige ja sogar auch von MEHREREN diskriminierenden Strukturen, wie Rassismus UND Homophobie, OMFG!

Ist das denn so schwer? Bei einer Veranstatung, die auf der ganzen Welt stattfindet die Aufmerksamkeit auf die vielen verschiedenen Lebensrealitäten von Frauen* zu lenken? Nicht nur zu sagen "Und in Afghanistan ist es ja auch ganz schlimm"? Sondern darüber zu sprechen, wer HIER alles betroffen ist? Die weiße Hetero-Norm zu verlassen? Über prüde Doppelmoral gegenüber Sexworkerinnen* zu sprechen? Über Ausbeutung von Frauen* ohne legalen Aufenthaltsstatus? Über die katastrophale rechtliche und medizinische Situation von Transpersonen? Über absurde heterosexistische Adoptionsrechte? Über das Konzept von Zweigeschlechtlichkeit? Über Muttermythen? Über Pathologiesierung, über Ent- und Übersexualisierung? Darüber, dass viele Frauen* nicht nur mit einem dieser Probleme klarkommen müssen, sondern gleich mit mehreren? 

Da sind Frauen* mit so vielen Lebensrealitäten, die von Repressionen und Diskriminierungen betroffen sind. Da ist (leider, verdammt noch mal!) so viel Material für mehr als "Gewalt gegen Frauen ist schlecht."


Kein "Dankeschön" für Selbstverständlichkeiten

Richtig negativ aufgestoßen ist mir diese immer wieder und wieder und wieder und wieder bekundete Dankbarkeit für die handvoll anwesenden Männer. Ja, es waren ein paar da, so weit ich das mitbekommen habe gab es auch keine Übergriffe und kein Dominanzgehabe und das ist natürlich gut. Aber wieso verdammt noch mal soll ich dafür dankbar sein, dass ein paar Männer* anscheinend Gewalt gegen Frauen auch scheiße finden? Ich finde das nicht zu viel verlangt. Männer* müssen mitmachen, sich angesprochen fühlen. Ohne geht es logischerweise nicht. Es macht mich eher wütend und traurig, dass das keine Selbstverständlichkeit ist. Und ich finde außerdem, dass es an einem Tag, an dem es ein mal (ich wiederhole mich) um Gewalt gegen Frauen geht, sehr absurd, wenn ständig Männern* "Danke" gesagt wird (dafür, dass sie nicht scheiße sind oder was?!), während gleichzeitig die Lebensrealitäten so vieler Frauen dadurch, dass sie nicht benannt und thematisiert wurden, unsichtbar gemacht wurden. Das lässt diese Danksagungen zum Teil des Problems verkommen. Allerdings passte das inhaltlich auch hervorragend zu den Beiträgen.


Grenzen? Konsens? Verantwortung? Wasn das?

Die (Rede)Beiträge... Bestimmt wurden auch gute Sachen gesagt. Hoffe ich. Aber auch so viel Mist! Da wurden "Schuld" und "Verantwortung" vertauscht und gleichgesetzt. "Lasst uns nicht länger den Männern Schuld an der Situation geben, sondern selbst Verantwortung für unsere Körper übernehmen!" Ich meine WHAT THE ACTUAL FUCK?! Ich fordere verdammt noch mal von allen Menschen, ihre Privilegien zu reflektieren. Ja, ich bitte Männer* nicht darum, ich fordere von ihnen sich selbst zu überprüfen. Wie sie sich im öffentlichen Raum verhalten, ob sie (Körper-)Grenzen überschreiten. Und sogar noch viel mehr! Wie ich mit mir selbst und meinem Körper umgehe, ist meine Sache. Klarkommen muss ich mit Normierungen, Harassment  und Übergriffen so oder so. Wie ich das am besten machen soll, wird mir ja auch erst mein ganzes Leben lang gesagt, dankeschön für gar nix. Ich fordere eine Gesellschaft, in der ich mich nicht wehren muss. In der nicht die Betroffene darüber nachdenkt, was sie zu tun und zu lassen hat, sondern die übergriffige Person. Frauen* sind kein defizitäres Geschlecht. Da wirkt es noch höhnischer, dass eine Frau in einer "Comedy"-Nummer auf der Bühne "uns" aufrief "sich selbst mehr zu lieben und anzufassen [haha, witziiiiiiig] und auch mal den Nachbarn oder die Nachbarin anzufassen." Das machte mich sprachlos. Wir reden über Gewalt und wir lassen alle Debatten über Grenzen und Konsens komplett außen vor? Was ist das für ein Gewaltbegriff?


Abschließend

Achso ja. Ein Awareness-Team wäre fantastisch gewesen. Dann hätte ich mich vielleicht mit dem Abtreibungsgegner, der mich aufdringlich auf mein Plakat ansprach, als ich mal kurz die Gruppe verlassen habe, nicht ganz so hilflos und alleine gefühlt. ("Bist du für Abtreibung? Das Baby ist nicht dein Körper! Das darfst du nicht, das ist Mord!") Denn bei aller Fröhlichkeit und Tanzerei, dass nicht alles glatt läuft und tuttifrutti ist, damit muss gerechnet werden.

Jetzt mache ich mir einen Tee. Und hoffe, dass im Gegensatz zu der Krtik im Vorhinein auf die Kritik im Nachhinein reagiert wird. Dass es im nächsten Jahr eine Aktion gibt, die Frauen* in ihrer Diversität begreift und wirklich empowernd ist. Dass wir wütend sein können, tanzen können, wütend tanzen und ganz still sein können. Und dass allen zugehört und Raum gegeben wird. Anders habe ich keine Lust mehr auf große und kommerzielle Aktionen.



Zum Weiterlesen: 





Montag, 10. Dezember 2012

A fun thing to do: Suchbegriffe sammeln

Die meisten Suchanfragen, die auf diesen Blog führen, sind ziemlich neutral. "Dani Sojasahne", "Consume. Be silent. Die.", "vegane Sahne", "Grillen vegan" und solche Sachen. Aber immer mal wieder entdecke ich lustige, absurde oder verstörende Begriffe oder ganze Sätze in den Suchanfragen und vor einiger Zeit habe ich dann angefangem die zu dokumentieren. Alleine hab ich ja nichts davon und weil ich hier ja immer nur herummeckere (und das sogar in der Vorweihnachtszeit!!!!!), dachte ich, zur Abwechslung teile ich mal etwas Erheiterndes mit euch. Hier also mein Best Of der Suchbegriffe, mit denen Menschen auf meinen Blog gekommen sind:

  • ich will mich für peta ausziehen
  • was ist so interessant an sex mit tieren?
  • holländische schnittführung steak
  • frauen sind sexobjekte und bleiben es
  • frauen bezeichnen männer als willenlose tiere
  • honig breast
  • gute laune ohne pille
  • du bist mir wichtig, jonathan
  • ich will das mädchen aus dem fernsehen! oh fuck
  • opa hans brot
  • geile frauen auf blogspot.de
  • sexuelle praktiken katholisch
  • mutti beim frauenarzt erotik
  • menstruation mit weißem kleid
  • oreo kekse schwarzer stuhlgang
  • kim wonderland blowjob
  • sex video skandal eistee
  • vanillepuuding sperma im gesicht

Ich habe übrigens nichts davon weiter recherchiert, also habe ich keine Ahnung, was sich dahinter verbirgt. Und irgendwie scheinen viele Leute mit totalem Schmuddelkram auf meinen Blog zu kommen, was ich mir gaaaaaaaaar nicht erklären kann. Ich hoffe, die haben was besseres gefunden, als sie gesucht haben.

Montag, 3. Dezember 2012

Über die vegane Weltrettungskackscheiße


Als ich vegan wurde, habe ich mich mit Händen und Füßen gegen dieses Übermensch-Argument gewehrt. Dass alle veganen Menschen sich für etwas Besseres halten. Weil sie die Lebensweise gefunden haben, die den wenigsten Schaden anrichtet, Tiere als lebenswerte Lebewesen respektiert, absolut umweltschonend ist und sie "den Leuten in Afrika" nicht das Getreide wegnehmen. Zum Glück ist mir diese Einstellung persönlich eher selten begegnet. Die veganen Menschen, die ich bis jetzt kennenlernte und die meisten, die zur – ich nenns jetzt mal – Blogging Community gehören, sind da etwas bescheidener. In letzter Zeit sind mir dann aber Leute "begegnet"... da weiß ich, was gemeint ist, wenn unvegane Menschen genervt von vegan lebenden Menschen sind.

Irgendwie scheint sich die Einstellung breit zu machen, dass es alle Probleme der Welt lösen würde, wenn alle Menschen vegan leben würden. Ich werf jetzt mal was total und absolut Oberkrasses in den Raum: Das ist Bullshit! Was mich wütend macht, ist diese Einstellung, diese Überzeugung davon, total kritisch zu sein und dann nicht mal etwas weiter denken zu können als "an die armen Tiere". Hier mal ein paar "Argumente" und Herangehensweisen, die ich unter Veganer_innen sehr problematisch finde.


Hauptsache vegan, ansonsten ist alles egal!

Als der Linksunten-Artikel über Kim Wonderland online ging, hat es beschissene Reaktionen und "Argumente" aus allen möglichen Perspektiven gegeben. Was mich richtig abgefuckt hat, waren all die "Hauptsache vegan, der Rest ist doch egal!" - Kommentare. Oder auch "Seid wann ist es verboten, mit Nazis befreundet zu sein, sind doch auch nur Menschen?!" Oder weiter "Das ist doch ihre Privatsache, das geht uns gar nichts an!" Ich meine, hackts?! Geht's noch unkritischer? Noch ätzender? Noch rechtsoffener? Komplett unabhängig davon, ob was dran ist oder nicht, was geht denn in den Köpfen von Leuten vor, die so eine Scheiße von sich geben? Natürlich ist es NICHT okay! Mit Menschen, die einer menschenverachtenden Ideologie angehören, ist man "nicht einfach nur so" befreundet. Es ist auch nicht alles egal, so lange man vegan lebt. Veganismus ist ein winzigkleiner Teil vom Großen Ganzen. Wie kann Veganismus irgendwas erreichen, wenn mit Nazis abgehangen wird? Dadurch wird die Welt nicht besser. Sie wird dadurch schlechter.

Wie können Menschen sagen, dass sie "sogar auch" an die Tiere denken, nicht nur wie viele Menchen, die nur an Menschen denken, weil sie vielleicht sie anfaschistisch oder was auch immer sind. Ganz ehrlich, in der veganen "Szene" gibt es ziemlich wenig Leute, die sich neben Veganismus auch noch mit anderen Dingen beschäftigen. Es muss natürlich nicht jede_r alles wissen/machen/lesen, aber man kann ja wohl erwarten, dass man sich dann zumindets zurückhält, wenn man sich (noch) nicht mit dem entsprechenden Thema auseinandergesetzt hat. Wir sagen alle, wir sind gegen Diskriminierung jeglicher Art, aber wenn ein rassistischer/sexistischer/homophober Witz gemacht wird, heißt es ganz schnell "das ist aber nicht so gemeint" oder "ich finde ja nicht, dass das diskriminierend ist." Meine Reaktion darauf ist ungefähr die selbe, als wenn sich irgendein Heini als Alleswisser_in aufspielt und darüber referiert wie sehr er_sie Tiere liebhat, während er_sie in sein_ihr Steak beißt. Es ist ein Widerspruch. 

Unsere Gesellschaft ist von diskriminierenden Strukturen durchzogen. Diese zu verstehen, ist nicht immer leicht und manchmal will man sie auch nicht wahrhaben. Frag doch mal das Tier, das gegessen wird – Frag doch mal den Menschen, der diskriminiert wird. Klingelt da was? Wir sollte nicht so tun, als gäbe es sonst keine Probleme auf der Welt. Und vor allem sollten wir aus den Fehlern derjenigen lernen, die reden, ohne Ahnung vom Thema zu haben. Immerhin wissen doch die meisten wie das ist und es nervt uns alle ungemein.


Ich bin viel veganer als du und du machst XYZ, das ist voll unvegan!

Ich beobachte, dass Veganer_innen quasi unter Selbstgeißelung Veggie-Monopoly spielen und jede_r so schnell und direkt wie möglich ins Ziel kommen möchte. Da gibt es teilweise Wettstreits sondergleichen und wer auf der Strecke bleibt, der_die war nur nicht stark genug. Vegan sein bedeutet per Definition alle Produkte abzulehnen, für die Tiere leiden mussten. Menschen sind auch nur Tiere, also müssten alle Veganer_innen auch komplett Fair Trade leben. Und am besten auch regional, saisonal und bio. Weil dadurch dem Planeten und somit auch Menschen und anderen Tieren am wenigsten angetan wird. Aber mal ehrlich – bis wohin geht das Spiel? Kann da überhaupt jemand gewinnen? Im veganen Monopoly wurde ich mit Sicherheit schon sehr oft zurück auf Start geschickt, wenn ich nicht schon längst im Gefängnis gelandet bin. Bin ich dafür selbst verantwortlich? Ja, zum Teil. Zum Teil aber auch nicht. 

Ich weiß nicht, wie häufig schon der Satz "Wir leben alle in einer unveganen Welt" heruntergebetet wurde. Aber er stimmt. Veganismus ist kein allheilbringendes Lebensprizip, welches ich konsequent und ohne Rücksicht auf Verluste verfolge. Es ist auch nicht möglich. Wie häufg wurde schon ausdiskutiert, was man dann alles nicht mehr machen dürfte. Straßenbahnfahren, Autofahren, ins Kino gehen, keine Ausnahme für die Oma vom Freund machen, wenn die sich Mühe mit einer Alternative gemacht hat, aber trotzdem etwas Butter zu den Kartoffeln gegeben hat, die Handcreme der Freundin nicht benutzen, obwohl die Haut rissig und trocken ist und so weiter. 
Hinzukommt, dass Fair Trade Klamotten verdammt noch mal beschissen teuer sind.  Unabhäging davon, dass sie gerechtfertigterweise teuer sind und einen realistischen "fairen" Preis haben, ist einfach zu sagen "Kauf halt einen statt zwei" blanker Hohn in den Ohren derjeniger, die kaum Kohle haben um zu überleben. Es ist auch blanker Hohn in de Ohren derjenigen, die sich nicht nur am superveganen Maß messen (wollen), sondern sich auch an anderen Erwartungen und Maßen messen, wie zum Beispiel Schönheitsidealen.
Second Hand, Kleiderkreisel und ebay, das ist alles toll und sinnvoll, aber auch das kostet zeitliche Ressourcen, die nicht allen Menschen gleichermaßen zur Verfügung stehen. Mal ganz abgesehen davon, dass ich in meiner Superkorrektheit vielleicht Menschen günstige Kleidung wegschnappe, die sie wirklich benötigen. Das ist ein Gedanke, der mir zutiefst widerstrebt.
Das alles als "die strengen sich nur nicht genug an" darzustellen, ignoriert tatsächliche Verhältnisse und Lebensrealitäten und führt dazu, dass Veganismus nur der kleinen, arroganten Bildungselite offen steht, die sich anmaßt, über alles und jede_n zu urteilen.


Vegan leben, weil woanders Menschen an Hunger sterben

Was mich fast am meisten ankotzt ist diese ewige Analogie, man würde "Menschen in Afrika" das Getreide wegnehmen und wenn wir alle vegan werden würden, dann müsste niemand mehr hungern. Schon klar, es gibt die Fälle, in denen Ländern Getreide abgekauft wurde, obwohl Dürren bevorstanden. Aber es ist nicht ganz so einfach. Viele haben sicherlich den Film "We feed the World" gesehen. Dort sagt Jean Ziegler (selbst Vegetarier, so weit ich weiß aus humanistischen Gründen, übrigens hat er sehr lesenwerte Bücher über Armut und Hunger geschrieben) etwas entscheidendes: "Der World Food Report besagt, dass die Weltlandwirtschaft, so wie sie heute ist, ohne Probleme 12 Milliarden Menschen ernähren könnte."(klick) Zur Zeit leben laut Wikipedia etwa 7,01 Miliarden Menschen auf der Erde. (klick) Wir haben kein Mengenproblem. Wir haben ein Verteilungsproblem. Es werden Staaten, Menschen ausgebeutet. Es gibt genug Essen für jeden Menschen auf dieser Welt. Sogar für viel mehr Menschen auf der Welt. Das ist eines der Erben der Kolonialgeschichte. Mit Bildern wie "wir müssen den Armen helfen" werden wieder rassistische Strukturen reproduziert. "Wir" müssten eigentlich überhaupt nicht helfen. Wir müssten mit der Ausbeutung aufhören, Reparationen zahlen und Verantwortung übernehmen. 

Natürlich, die Landwirtschaft ist am Arsch. Regenwälder werden zerstört, meist für Tierfutter, aufgekauftes Getreide ist meist Tierfutter, Mais in den Staaten ist meist Tierfutter. Die Meere sind bald leer gefischt, der Planet ist voller Müll, die Böden voller Gifte. Um genug Lebensmittel und andereüberlebensnotwendige aber aucn unwichtige Dinge für 12 Milliarden Menschen zu erwirtschaften musste bereits einiges massiv zerstört werden. Nichts desto trotz. Wenn alle Menschen in Europa, den Staaten und so weiter vegan werden würden, wäre imperiale und kolonialgeschichtlich verankerte Ausbeutung nicht zu Ende. Kolonial- und Kapitalismuskritik sind entscheidende Ansätze, um diese Strukturen zu erklären. Beides ist auch durchaus miteinander verwoben und besonders im Zusammenhang mit dem veganen Welthungrrettungsargument ein eigens Posting wert. Heute bleibe ich aber mal bei einfachen Sätzen: Reichtum braucht Armut. Wer reich sein will, muss andere unten halten. Stichworte wären zum Beispiel: Regierungen, (Groß)Konzerne, Lobbys. Ihre Werkzeuge sind unter anderem Institutionen wie die Weltbank oder der Internationale Währungsfond. Die Güter aus armen Ländern sollen wettbewerbsfähig auf den Weltmarkt geworfen werden, IWF und Weltbank verteilen dazu ganz großmütig und absolut selbstlos Kredite zu horrenden und repressiven (finanziellen) Bedingungen. Länder wie Brasilien, welches einst den höchsten, jemals gewährten Kredit bekommen hat, zahlen sich dumm und dämlich, nur um die Zinsen solcher Kredite zu tilgen. Da bleibt wenig bis nichts mehr übrig für den Ausbau der Infrastruktur, Bildung für alle, Investitionen in einen Sozialstaat oder Reformen für die Landwirtschaft. Diese Kredite dienen hauptsächlich dazu, die Vormachtstellung eh schon reicher Länder beizubehalten und führen eh schon arme Länder in die ewige Abhängigkeit.


Ganz kurz, falls es eine vergessen hat: Wer vegan lebt wird dünn, gesund und schön!

Diese Attribute da oben scheinen ja irgendwie synonym benutzt zu werden, was mich schon sehr ärgert. Im Fatshaming-Artikel habe ich ja bereits auf die Vielfalt menschlicher Körper hingewiesen. Außerdem bitte ich euch alle, schaut euch doch mal um. Die Veganer_innen, die ich kenne, sehen genau so aus, wie die unveganen Menschen, die ich kenne. Es gibt dicke und dünne, große und kleine, blasse und gebräunte, welche mit Cellulite und ohne, mit Pinkeln und ohne, mit seidenglänzendem Haar und mit trockener Strubbelmähne, gesunde und kranke. Das könnte ich eeeeewig so weiterführen. Und alles davon ist okay! Die vegane Community ist unterliegt denselben Schönheitsidealen, wie der Rest der Gesellschaft. Sich davon zu befreien, das wäre mir echt viel wert.


Weg von der individualistischen Perspektive, hin zu mehr allgemeiner und emanzipatorischer Herrschaftskritik!

Zu Beginn habe ich es mir wirklich sehr schwer gemacht. Ich dachte, Veganismus sei ein Boykott, und ich könne so die Nachfrage regulieren (natürlich nicht alleine, sondern in der Masse). Heute muss ich ein bisschen darüber schmunzeln. Es ist viel größer. Die Nachfrage alleine regelt nicht das Angebot und Veganismus alleine rettet nicht die Welt. Menschen beuten Natur, Tiere und andere Menschen aus. Das hat System und sehr tiefe historische Wurzeln, die sämtliche globalen und wirtschaftlichen Beziehungen durchflechten. Diese Wurzeln lassen sich nicht durch eine andere, nettere Konsumform ausreißen. Damit kann man man nicht mal die Schäden beheben, die dadurch der Oberfläche entstehen.

Ich habe versucht in allem korrekt zu sein. Mehr Fair Trade kaufen, nur bio Gemüse und so weiter. Gerade ändern sich etwas meine (finanziellen) Lebensumstände und mit Blick in meine Zukunft muss ich sagen, diese Einstellung ist sehr arrogant. Wer kann das denn bitteschön? Wenn ich von allen Menschen erwarte möglichst nah an die 100 % Perfektion zu kommen, machen wir uns allen nur selbst das Leben schwer. Und wir erreichen gar nichts. Wir erreichen auch nicht die Menschen, die von den Strukturen so vernachlässigt und unterdrückt sind, dass sie weder zeitliche noch finanzielle Ressourcen haben, um in diesem Spiel die Turmstraße kaufen zu können, gechweige denn die Schlossallee.

Ich will eine politische Bewegung. Eine, die zwar selbstkritisch ist, aber versteht, dass nicht Einzelpersonen die Gestalt der Welt mit Konsumentscheidungen verändern  können. Es ist toll, wenn Menschen Verantwortung übernehmen, in ihrem Leben für irgendwas einstehen oder zurücktreten. Und ich wünsche mir auch, dass das alle Menschen tun würden, die es können. Das löst aber diese Probleme nicht. Es ist eine beschissene Unverschämtheit und eine verdammte Ungerechtigkeit, dass es solche ausbeuterischen Strukturen gibt. Dass wir in Verhältnissen leben, die es so schwer macht, gute Entscheidungen zu treffen. Ich will, dass diese Entscheidungen für alle Menschen zugänglich gemacht werden, nein, ich will, dass ich mich überhaupt gar nicht erst zwischen "gut" und "schlecht" entscheiden muss. Dieser unkritische, selbstreferenzielle Wohlfühlveganismus ist so ein Lifestyle für Superpriviligierte, die  sich gegenseitig für ihre kleinen ökologischen Fußabdrücke auf die Schulter klopfen. Da hab ich keinen Bock drauf und da mach ich auch nicht mit.


EDIT am 12.12.2012: Ich möchte euch zum Weiterlesen diesen Blogeintrag von zapperlott ans Herz legen. Auszug: 
  Was übrig bleibt ist die rein private Suche nach dem moralisch korrektem Konsum, um das Gewissen zu beruhigen. Bereits das ist eine folgenreiche Verblendung, die in der Konsequenz zu der besagten »veganen Weltrettungskackscheiße« führt.